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Fräsprozesse spielen in der Metallbearbeitung eine zentrale Rolle, besonders wenn es um die Herstellung von Werkstücken und Bauteilen geht, bei denen Oberflächengüte und Maße sehr präzise erreicht werden müssen. Das Verfahren umfasst sehr viele Anwendungsbereiche: von der Bearbeitung großer Freiformflächen im Werkzeug- und Formenbau und in der Fertigung von Komponenten für die Energieerzeugung bis hin zur hochautomatisierten Massenfertigung. Was vielen dieser Anwendungen gemeinsam ist: der wachsende Kostendruck. Zerspaner müssen hohe Anforderungen an die Oberflächenqualität und Maßhaltigkeit eines Werkstücks mit hohem Kosten- und Zeitdruck in Einklang bringen. Die Wahl des richtigen Fräswerkzeuges spielt hier eine zentrale Rolle. Aber um die Leistungsstärke eines Wendeschneidplattenfräsers voll zu nutzen, muss auch der Prozess stimmen. Aus langjähriger Erfahrung im Technischen Vertrieb bei Walter weiß ich, wie sich gerade im Bereich grundlegender Prozessparameter Fehler einschleichen, die Effizienz und Sicherheit des Prozesses negativ beeinflussen.
Den Prozess ganzheitlich analysieren
Laufen Prozesse stabil und stimmen die Ergebnisse wirtschaftlich, schaut sich normalerweise niemand im Unternehmen die einzelnen Prozessschritte oder -parameter genauer an. Sie rücken erst ins Zentrum des Interesses, wenn zum Beispiel der Output sinkt, sich die Oberflächenqualität oder Maßhaltigkeit verschlechtert oder wenn der Preisdruck steigt. Oft wird dann versucht, durch punktuelle Veränderungen, zum Beispiel durch Änderungen bei den Schnittwerten oder durch den Wechsel des Werkzeugs, das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das kann funktionieren oder zumindest das akute Problem im Produktionsprozess lösen. Nachhaltige Optimierungserfolge lassen sich aber eher mit einer ganzheitlichen Betrachtung des Prozesses erzielen.
Die entscheidenden Fragen dabei:
Zahnvorschub anpassen
Der Zahnvorschub hängt von den Eigenschaften des zu bearbeitenden Werkstoffes und denen des Fräswerkzeugs ab. Üblicherweise geben Hersteller hier jeweils den optimalen Bereich an. Viele Anwender fahren mit einem relativ niedrigen Zahnvorschub. Meistens besteht aber ein gewisser Spielraum, den Zahnvorschub zu erhöhen, wodurch sich die Zahl der pro Werkzeug gefertigten Werkstücke erhöhen kann, da der Fräser effektiv einen kürzeren Weg auf der gefrästen Fläche zurücklegt. Ob und wie der Zahnvorschub erhöht werden kann, hängt von Bedingungen wie dem Einstellwinkel, dem Eingriffsverhältnis des Werkzeugs, der Auskraglänge des Werkzeugs, der Bauteilspannung und dem zu zerspanenden Material ab.
Wichtig: Passt die erzeugte Spanungsdicke (h) zur Werkzeuggeometrie und zum Werkstoff? Eine zu geringe Spanungsdicke beeinflusst den Verschleiß und die Standzeit der Wendeschneidplatten negativ. Eine zu hohe Spanungsdicke führt dagegen zum Schneidenbruch.
Schnittgeschwindigkeit und Verschleißverhalten
Wohl der wichtigste verschleißfördernde Faktor beim Fräsen ist die ständige thermische Wechselbelastung der Wendeschneidplatten, wenn der Fräser in den Eingriff geht und wieder austritt. Der Wechsel von Wärmebildung zu Abkühlung führt zu Rissen entlang der Schneidkante. In der Folge entstehen Ausbrüche an der Schneidkante, deren Ursache in der Rissbildung liegt. Die Ausbrüche können aber auch falsch interpretiert werden, da sie zum Beispiel auf einen zu verschleißfesten Schneidstoff geschoben werden.
Vor allem bei kleinen Eingriffsverhältnissen spielt deswegen die Wahl der Schnittgeschwindigkeit eine große Rolle. Ist das Eingriffsverhältnis beim Fräsen klein, das heißt es wird nur mit einem sehr kleinen radialen Eingriff (ae) gearbeitet, dann ist die Schnittgeschwindigkeit (vc) zu erhöhen, um die thermische Wechselwirkung zwischen heiß und kalt zu reduzieren. Das wiederrum reduziert die Rissbildung an der Schneidkante und verhindert einen zu frühen Werkzeugverschleiß. Als Faustregel lässt sich anwenden: vc erhöhen bei kleinem ae/Dc Verhältnis.
Die richtige Fräserposition wählen
Die richtige Wahl der Fräserposition ist abhängig vom Eintrittskontakt der Schneidkante mit dem Werkstück. Dieser lässt sich beeinflussen, indem der Werker eine bestimmte Fräsbreite (ae) zum Fräserdurchmesser (Dc) festlegt. Sollte die Fräsbreite die Hälfte des Fräserdurchmessers betragen, trifft die Schneidkante auf das Werkstück mit der maximal möglichen Spanungsdicke. Der Eintrittskontakt kommt einem Aufprall gleich. Die Schneidkante wird dadurch sehr stark belastet, was dann sehr schnell zum Schneidbruch führen kann. Von Vorteil ist, wenn ein Verhältnis ae > 2/3 Dc oder ae < 1/3 Dc gewählt wird.
Richtige Frässtrategie wählen
Ist die zu bearbeitende Fläche beim Planfräsen größer als der verwendete Fräserdurchmesser, ist die beste Strategie zum Fräsen von Flächen die Bearbeitung in mehreren Bahnen mit spiralförmiger Bewegung von außen nach innen. Diese Strategie ergibt nur einen Eintritt des Fräsers in das Werkstück. Dabei ist der Fräser immer unter Druck, wenn sich die Schnittrichtung in einer Radiusbewegung ändert. Es gibt nur einen Austritt. Der Radius in den Ecken und beim Eintritt sollte ca. ¼ bis ½ des Fräserdurchmessers betragen. Erreicht wird dadurch eine gleichmäßige Belastung des Fräsers durch die Vermeidung ständiger Ein- und Austritte, die zum Beispiel beim monodirektionalen Zeilenfräsen entstehen. Im Vergleich zum monodirektionalen Zeilenfräsen wird mit dieser Spiralstrategie in der Regel auch eine Bearbeitungszeitersparnis von mindestens 30 Prozent erreicht, ohne dass die Schnittparameter geändert werden.
Dabei bestimmt die Fräserposition beim Eintritt in das Werkstück sowohl die Spanbildung als auch die Standzeit des Werkzeugs. Die Ein- und Austritte sind die empfindlichsten Bearbeitungsoperationen und reduzieren die Standzeit des Fräsers. Um diese zu erhöhen, sollte immer die Eintrittsoperation in einer Viertelkreis-Bewegung erfolgen. Durch einen sogenannten „Roll-in“-Eintritt mit Viertelkreis-Radius im Gleichlauffräsen kann der negative Effekt des Eintritts so reduziert werden. Dabei ist der „Roll-in“-Eintritt abhängig von der Oberfläche des Werkstücks. Ist die Oberfläche des Werkstücks weich, so sollte der „Roll-in“ im Gleichlauf erfolgen. Ist die Oberfläche des Werkstücks hart, so ist der „Roll-in“ im Gegenlauf die bessere Wahl und günstiger für die Standzeit des Werkzeugs.
Ist das Spiralisieren nicht möglich, weil die zu bearbeitende Fläche kleiner als der Fräserdurchmesser ist, sollte die Fräserposition mittig versetzt gewählt werden, um einen überwiegenden Gleichlauf zu gewährleisten.
Gleichlauf- oder Gegenlauffräsen?
Aus dem bisher Gesagten ist wahrscheinlich schon klar, dass Gleichlauffräsen eigentlich die beste Frässtrategie ist. Dabei wird das Werkzeug mit der Drehrichtung geführt. So nimmt die Spanungsdicke vom Beginn des Schneideneintritts ab, bis sie beim Austritt auf Null geht und der Span sich abtrennt. Dadurch wird vermieden, dass die Schneidkante vor dem Eingriff gegen die Oberfläche reibt und schleift. Die auftretenden Kräfte ziehen das Werkstück zum Fräser hin, wodurch die Schneidkante im Eingriff bleibt.
Beim Gegenlauffräsen wird das Werkzeug gegen die Drehrichtung geführt. Hier steigt die Spanungsdicke vom Beginn des Schneideneintritts stark an. Es wirken deutlich stärkere mechanische und thermische Kräfte auf das Werkzeug ein, wodurch sich die Standzeit deutlich verschlechtert. Es gibt aber Anwendungsfälle, in denen Gegenlauffräsen das bessere Verfahren darstellt. Dazu gehört die Bearbeitung von Werkstücken mit hartem Werkstoffrand, das Bearbeiten von dünnen, stark vibrierenden Werkstücken oder wenn das Werkzeug selbst lang auskragt.
Für Fragen rund um das Thema WSP-Fräsen steht Peter Kalenbach, Produktmanager WDE-MS Rundlaufende Wendeplattenwerkzeuge der Walter Deutschland GmbH, unter
peter.kalenbach@walter-tools.com zur Verfügung.
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