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„Das Tempo des Wandels war noch nie so schnell. Und dennoch wird es nie mehr so langsam sein.“ Dieses bekannte Zitat des kanadischen Premierministers Justin Trudeau wird häufig verwendet, wenn es um die rasante technologische Entwicklung unserer Zeit geht. Industrie 4.0 ebnet mit bahnbrechenden Innovationen den Weg für einen Wandel in der Produktion, der wiederum Chancen für die Weiterentwicklung von Fertigungsunternehmen und die Erzielung höherer Umsätze bietet. Die Investition in neue Technologien ist jedoch nicht der einzige Weg zur Optimierung einer Werkzeugmaschine. Im ersten Teil einer neuen Artikelserie erläutert Blasius Reschreiter, Global Manager Machine Tool Solutions bei Sandvik Coromant, wie Unternehmen das Maximum aus ihren Maschinen herausholen können – durch bessere Maschinenauslastung, schnellere Werkzeugwechsel und den Einsatz modularer Werkzeugsysteme.
Angesichts der jüngsten technologischen Fortschritte mag es auf den ersten Blick so scheinen, als seien Investitionen in Spitzentechnologien eine Notwendigkeit für ein erfolgreiches Unternehmen. Aber die Märkte sind volatil. Das ständige Streben nach den neuesten Hightech-Lösungen ist nicht unbedingt der richtige Weg, um in unsicheren Zeiten erfolgreich zu sein. Vielmehr ist die Fähigkeit, die Produktion flexibel an aktuelle und zukünftige Anforderungen anzupassen, entscheidend für das Bestehen in der heutigen Zeit. Im Folgenden werden einige Ansätze zur Flexibilisierung der Produktion näher betrachtet.
Analyse der Produktion
Die Entwicklung von Werkzeugmaschinen und Zerspanungswerkzeugen schreitet rasch voran. Dies kann jedoch mit erheblichen Investitionen verbunden sein, die Zeit, Kapital und relativ sichere Vorhersagen über den künftigen Bedarf erfordern. Wenn die Marktlage und die Geschäftsaussichten unsicher sind, werden größere Investitionen möglicherweise nicht in Betracht gezogen.
Wenn das Hauptziel darin besteht, die Kosten zu senken und einen vorübergehenden Marktrückgang zu überbrücken, sollte eine der wichtigsten Überlegungen darin bestehen, die derzeitige Produktion zu analysieren, um die vorhandenen Maschinen und Kapazitäten zu nutzen, vorzugsweise ohne die Gemeinkosten drastisch zu erhöhen.
Ein anderer Aspekt ist die Produktivität. Oft steht die maximale Zerspanungsleistung im Vordergrund. Eine Möglichkeit, die Effizienz bei der Herstellung von Bauteilen zu messen, ist das Zerspanungsvolumen. Ein noch wichtigerer Faktor kann jedoch die Maschinenauslastung sein. In einem typischen Fertigungsbetrieb werden nur 50 Prozent der Maschinenzeit für die Zerspanung genutzt. Die anderen 50 Prozent werden durch Störungen, Umrüsten und Wartung aufgezehrt.
Maschinenauslastung im Fokus
Die Erhöhung der Maschinenauslastung ist eine kostengünstige Möglichkeit, die Produktivität zu steigern und die vorhandene Kapazität optimal zu nutzen. Dies sollte als Prozentsatz der Zeit gemessen werden, in der die Maschine tatsächlich Teile produziert. Eine Erhöhung der aktiven Bearbeitungszeit um nur wenige Prozentpunkte macht bereits einen signifikanten Unterschied aus.
Eine höhere Maschinenauslastung kann erreicht werden, indem die Zeitfresser, die in einer typischen Fertigung häufig auftreten und mit folgenden Tätigkeiten verbunden sind, gezielt angegangen werden: Serieneinstellung, Vermessung des Bauteils in der Maschine, Werkzeugeinstellung in der Maschine, Einstellung des Kühlschmierstoffrohrs, Austausch verschlissener Werkzeuge, Spanabfuhr rund um die Werkzeuge oder blockierte Förderer sowie Bauteilwechsel.
Zwei Schlüsselkonzepte zur Bewältigung dieser Herausforderungen und damit zur Erhöhung der Maschinenauslastung sind der Einsatz von Schnellwechselsystemen und modularen Werkzeugsystemen.
Lösungen für schnelle Werkzeugwechsel
Eine Schnellwechsellösung kann den Zeitaufwand für das Messen, Einrichten und Wechseln der Werkzeuge reduzieren und damit die Maschinenauslastung deutlich erhöhen. Eine innere Kühlmittelzufuhr trägt zu einer weiteren Maximierung der Produktivität bei. Durch ein Schnellwechselsystem bleibt die Maschine immer im grünen Bereich, zum Beispiel durch die Verkürzung der Chargenwechselzeit. Denn dank des Schnellwechselsystems verkürzt sich die Umrüstzeit von einem Werkzeugtyp auf einen anderen drastisch - bei einer typischen Drehbearbeitung können so bis zu zehn Minuten eingespart werden.
Es kann auch sinnvoll sein, die Anzahl der Werkzeughalter durch Doppelhalter zu erhöhen. Bei Drehzentren mit angetriebenen Werkzeughaltern ist der Platz oft begrenzt. Der Einsatz von Doppelspanneinheiten ermöglicht entweder die Nutzung von Schwesterwerkzeugen oder eine größere Werkzeugvielfalt und damit weniger Werkzeugwechsel für ein breiteres Teilespektrum. Doppelspanneinheiten können eingesetzt werden, wenn die Maschine über eine Y-Achse, einen Halb-Revolver oder eine Gegenspindel verfügt.
Auch beim Austausch von verschlissenen Werkzeugen können Stillstandzeiten reduziert werden. Bei jedem Wechsel eines Vollhartmetallwerkzeugs mit angetriebenem Werkzeughalter muss die Werkzeugkorrektur neu kalibriert werden. Bei Wendeschneidplattenfräsern und -bohrern müssen mehrere Wendeschneidplatten gewechselt werden. Die Verwendung eines Schwesterwerkzeugs und der Werkzeugwechsel außerhalb der Maschine sind wesentlich schneller. Bei statischen Werkzeughaltern ermöglicht der Werkzeugausbau eine bessere Wartung des Werkzeugs, eine korrekte Montage und keine unerwarteten Unterbrechungen wegen Ersatzteilbedarf.
Durch den Wegfall der Einstellung der Kühlmittelleitung kann ebenfalls Zeit eingespart werden. Wenn der Bediener die Richtung der Kühlmittelleitung einstellt, benötigt er in der Regel zwei bis drei Versuche, um die richtige Position zu finden. Außerdem führt eine schlechte Spankontrolle oft dazu, dass die Späne gegen die Kühlmittelleitung laufen, was wiederum dazu führt, dass die Einstellung häufig wiederholt werden muss.
Nicht zuletzt wird die Geschwindigkeit des Produktionsanlaufs verbessert. Durch den Wegfall von „Erstmusterteilen“ oder „Messschnitten“ wird der Ausschuss reduziert und die Produktionsgeschwindigkeit erhöht. Auf ein Jahr gerechnet führt der Einsatz eines Schnellwechselsystems zu einem deutlich höheren Teileausstoß und weniger Ausschuss.
Neben einer deutlich höheren Maschinenauslastung bringt das Schnellwechselsystem auch für den Bediener viele Vorteile wie eine einfachere Bedienung und eine ergonomischere Arbeitsumgebung. So reduziert der Werkzeugwechsel außerhalb der Maschine Unfälle, Bedienungsfehler und die Suche nach heruntergefallenen Teilen.
Flexibilisierung durch Modularisierung
Eine weitere Strategie, um die Maschinen am Laufen zu halten, sind modulare Werkzeuglösungen. Ein modulares System bietet eine Vielzahl von Werkzeugbaugruppen mit unterschiedlichen Eigenschaften, wodurch der Bedarf an teuren Sonderwerkzeugen mit langen Lieferzeiten reduziert wird. Mit modularen Werkzeugen können auch die Kosten für Einzelwerkzeuge für jede Maschine, jedes Bauteil und jedes Merkmal vermieden werden.
Die Stärken modularer Werkzeugsysteme liegen in der Flexibilität, der Reduzierung des Werkzeugbestandes und der Vielzahl von Werkzeugkombinationen, die alle zu einer höheren Maschinenauslastung beitragen. Die Fähigkeit, eine Produktion über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, gibt dem Unternehmen die nötige Flexibilität, um sich an wechselnde Marktbedingungen anzupassen.
Vier Anwendungen, bei denen sich die Modularität als besonders wertvoll erwiesen hat, sind der Zugang zu schwer zugänglichen Bauteilmerkmalen, die Stabilität bei vibrationsempfindlichen Operationen, kleine oder wechselnde Produktionen und zusätzliche Freiheitsgrade bei der Bearbeitung großer Bauteile.
Fazit
Obwohl das Tempo des Wandels noch nie so hoch war wie heute, gibt es verschiedene strategische Ansätze, um die Anpassungsfähigkeit zu sichern und auch die Unternehmensgewinne in einem sich ständig verändernden Marktumfeld zu steigern. Die Verbesserung der Maschinenauslastung, die Verkürzung der Umrüstzeiten und der Einsatz modularer Systeme tragen wesentlich zur Erhöhung der Flexibilität von Fertigungsunternehmen bei. Im nächsten Beitrag werden die Auswirkungen von Investitionen in neue Technologien näher beleuchtet. Dabei soll aufgezeigt werden, wie solche Investitionen die Effizienz steigern und neue Chancen für Fertigungsunternehmen eröffnen können.
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